Deutschland-Monitor 2022

Demonstranten vor dem Reichstag in Berlin

Foto: Ostkreuz (Espen Eichhöfer):

Zielstellung der Untersuchung

Wie tickt Deutschland – im Osten, im Westen und insgesamt? Bei dem vorliegenden „Deutschland-Monitor“ handelt es sich um eine umfassende Befragung zu allgemeinen politischen Einstellungen und Haltungen sowie zu spezifischen Themenfeldern – in Ost und West. Eine ähnliche Befragung hatte die INFO GmbH bereits vor zwei Jahren im Auftrag der Regierungskommission „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ durchgeführt, sodass Entwicklungstrends herausgearbeitet werden konnten. [1]

Parallel zu der quantitativen Erhebung wurden Fokusgruppendiskussionen durchgeführt, deren Ergebnisse ebenfalls in diesen Bericht eingeflossen sind. [2] Folgende Themenkomplexe standen dabei im Fokus:

  • allgemeine Lebenszufriedenheit, Hoffnungen und Befürchtungen
  • Einstellungen zur Politik und Politikverdrossenheit
  • Heimatempfinden, Empfindungen zur Deutschen Einheit, Vertrauen gegenüber Institutionen
  • Zuwanderung
  • Corona-Pandemie
  • Krieg gegen die Ukraine
  • Bestandsaufnahme zur sozioökonomischen Lage: Beurteilung der Lebensbedingungen am Wohnort, Erwartungen insbesondere hinsichtlich der Entwicklung von Lebensbedingungen, Erwerbstätigkeit, Einkommen

Die Untersuchung wurde in der Zeit vom 26.7. bis zum 15.8.2022 durchgeführt. Der Fragenkatalog gewährleistet Anschlussfähigkeit an bereits vorliegende andere Studien und die Kurzerhebung zum „Deutschland-Monitor“ 2020. Entsprechend sind viele der für die repräsentative Untersuchung verwendeten Fragen Standardformulierungen, die so ähnlich bereits in anderen Untersuchungen verwendet worden sind.

Kernergebnisse

Nach wie vor sieht die deutliche Mehrheit der Befragten in Ost wie West in der Deutschen Einheit eher einen Gewinn. Die damit verbundenen Hoffnungen haben sich überwiegend erfüllt. Die Wahrnehmung, dass Ostdeutsche Menschen zweiter Klasse seien, nimmt in beiden Landesteilen tendenziell weiter ab. Der Vergleich Ost-West hat an Bedeutung verloren, doch bestehende Unterschiede werden nach wie vor wahrgenommen. Stereotype können leicht aktiviert werden.

Während im Jahr 2020 die Themen Zuwanderung/Asyl und die Corona-Pandemie im Zentrum des gesellschaftlichen Interesses standen, dominieren in diesem Jahr soziale Gerechtigkeitsfragen, die Inflation, die Lebenshaltungskosten, der Klimawandel und das Thema Energie. Somit hat der russische Angriffskrieg tatsächlich eine „Zeitenwende“ ausgelöst und die politische Aufmerksamkeit stark verschoben. Die Lebensbedingungen in Deutschland sind vielerorts gut und die Lebenszufriedenheit entsprechend nach wie vor recht hoch. Jedoch nehmen die Zukunftssorgen deutlich zu, während die Bürgerinnen und Bürger mit der Politik und der Demokratie zunehmend unzufrieden sind. Auch die Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung wird von immer mehr Menschen skeptisch bewertet. Mit der sozialen Gerechtigkeit in Deutschland ist nur noch etwa ein Viertel der Befragten im Osten und ein Drittel im Westen zufrieden.

Zum besseren Verständnis der gesellschaftlichen Entwicklungstendenzen in Deutschland konnten wir mithilfe eines multivariaten Analyseverfahrens vier Einstellungscluster statistisch herausarbeiten. Deutlich voneinander zu unterscheiden sind das „offene und liberale“ Cluster, das „kleinbürgerlich-konservative“ Cluster, das Cluster der „verdrossenen Populisten“ sowie das Cluster der „angepassten Skeptiker“. Die relativen Größenanteile dieser Einstellungscluster an der Bevölkerung unterscheiden sich je nach sozioökonomischer Gruppe und Region erheblich. So ist der Typus der „verdrossenen Populisten“ vor allem in Bevölkerungsgruppen mit einem niedrigen sozialökonomischen Status sowie in Regionen mit schwieriger demografischer und wirtschaftlicher Lage zu finden – in Ost wie West. In den vergangenen zwei Jahren sind die beiden eher politikfernen Gruppen der „verdrossenen Populisten“ und „angepassten Skeptiker“ signifikant größer geworden.

Um sie (wieder) mit der politischen Kommunikation zu erreichen und die Demokratie zu stärken, sollte das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilen Deutschlands verstärkt in den Blick genommen werden.

Die Corona-Pandemie verliert etwas an Bedeutung. Nur noch insgesamt 51 % (2020: 62 %) der Befragten meinen, die Pandemie sei für Deutschland gefährlich. Dennoch sieht ebenfalls die Hälfte ihr Lebensgefühl durch die Corona-Pandemie beeinträchtigt.

Auch wenn gegenwärtig nur 36 % der Befragten mit den Maßnahmen der Bundesregierung in Reaktion auf den Krieg in der Ukraine zufrieden sind, vertreten 70 % die Meinung, dass die Verteidigung von Freiheit und Demokratie durch die Ukraine auch wichtig für Deutschland, Europa und den Westen ist.

Lesen Sie die ganze Untersuchung hier .

Dr. Holger Liljeberg ist Gründer und Geschäftsführender Gesellschafter der INFO GmbH. Im Berufsverband BVM e.V. ist er Mitglied des Fachbeirats. Er absolvierte ein Studium in Rechtswissenschaft, Kriminologie und Psychologie. Seine Forschungsschwerpunkte sind Politik-, Medien- Verkehrs- sowie Stadt- und Regionalforschung.  

Sindy Krambeer, Dipl.-Psych. ist Prokuristin beim Markt- und Meinungsforschungsinstitut INFO GmbH. Sie verantwortet die Bereiche Qualitative Forschung und Medienforschung und ist Ausbilderin für den FAMS-Beruf. Im Berufsverband BVM e.V. ist sie als stellvertretende Regionalleiterin der Regionalgruppe Berlin-Brandenburg aktiv.

[1] Die Ergebnisse wurden im Kommissionsbericht veröffentlicht und sind online abrufbar unter https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/30-jahre-einheit-1825750. Im Jahr 2022 wurden auf Basis der Erhebung 2020 zentrale Fragen noch einmal gestellt, um Entwicklungen zu erkennen. Diese wurden zusätzlich um aktuelle Themen wie den russischen Krieg gegen die Ukraine, Inflation sowie Energie und Klima ergänzt.
[2] Repräsentativerhebung: Mixed-Mode CATI (Zufallsstichprobe)/Online (Access-Panel), n = 4.078, 26.7.-15.8.2022, zusätzlich 4 Fokusgruppendiskussionen mit je 2 Stunden Dauer mit je 8 Teilnehmenden, 20.-27.7.2022