„Wir haben schon unglaublich viel erreicht“

  • Startseite
  • Der Staatsminister

  • Themen

  • Aktuelles

  • Berichte

  • Interviews & Reden

  • Mediathek

  • Presse

Rede zum Bericht zum Stand der Deutschen Einheit „Wir haben schon unglaublich viel erreicht“

Der jährliche Bericht zum Stand der Deutschen Einheit wird auch im Bundestag diskutiert. Staatsminister Carsten Schneider hat die zentralen Ergebnisse in seiner Rede am 19. Oktober 2023 vorgestellt.

Staatsminister Schneider am Pult während seiner Rede im Bundestag

Staatsminister Schneider während seiner Rede im Bundestag

Foto: picture alliance/dpa | Serhat Kocak

Es gilt das gesprochene Wort:

Frau Präsidentin!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Kommen wir zu etwas Positivem: zum Stand der deutschen Einheit. Dem Auftrag des Bundestages, einmal in der Legislatur einen Bericht zum Stand der Deutschen Einheit, zur Lage des Landes vorzulegen, komme ich mit diesem Bericht nach. Wenn ich einen Strich darunterziehe und Bilanz ziehe, dann sage ich: Diese Bilanz ist positiv.

Deutschland ist seit 33 Jahren vereinigt. In dieser Zeit haben wir unglaublich viel erreicht. Es gab gemeinsame Kraftanstrengungen von vielen Menschen in unserem Land, Ost wie West, den demokratischen Parteien, der Zivilgesellschaft. Wir sind ein stabiles, ein friedliches Land mitten in Europa – in einem Europa, das so wie Ost und West neu vereinigt wurde. Ich sage das vor allen Dingen vor dem Hintergrund der polnischen Wahl am Sonntag und der hohen Wahlbeteiligung. Dass die Polen ihr Schicksal in die Hand genommen und eine proeuropäische Regierung gewählt haben, das ist auch ein Auftrag an uns als Deutsche. 

Ich darf Sie herzlich grüßen von den Ministerpräsidenten der ostdeutschen Bundesländer. Es gab eine MPK-Ost gemeinsam mit der Ministerin Stark-Watzinger zum Thema Forschungsförderung. Wir waren in Berlin-Adlershof. Berlin ist natürlich eine wahnsinnig spannende Stadt, aber auch mit Strukturveränderungen. Dort war der ehemalige Forschungsbereich, in dem Angela Merkel und Herr Haseloff promoviert haben. Ost- und Westdeutsche sollten Brücken bauen, die offene Hand reichen und dabei auch die besondere Situation, die wir in unserem Land vorfinden, in unsere Erfahrung mit einfließen lassen.

Ziel der Rentenangleichung umgesetzt


Wir haben im Jahr 2023 etwas geschafft, was sehr lange bei vielen, insbesondere in Ostdeutschland, gegärt hat, nämlich die Rentenangleichung. Die Rente ist jetzt, im Jahr 2023, gleich. Wir sind ein sozialer Bundesstaat. Es gelten überall die gleichen sozialen Rechte.

In 2023 geschah auch etwas Phänomenales: Wir waren das erste Mal – zwar bei einer insgesamt schwachen konjunkturellen Lage – in Ostdeutschland vorn. Das gesamtdeutsche Wachstum war geringer als das in Ostdeutschland. Es gibt einen Sondereffekt wegen der Tesla-Fabrik in Brandenburg, ja. Aber es zeigt, dass insbesondere Ostdeutschland ein Platz für große Investitionen, für Vertrauen in die Zukunft und auch für Innovationen ist. Wir sind da ganz vorn, wenn es um erneuerbare Energien geht. Robert Habeck wird gleich auch noch sprechen. Ich bin sehr froh darüber, dass diese Debatte hier nicht nur eine rein ostdeutsche, sondern eine gesamtdeutsche ist.

Ostdeutschland war immer Energieland. Wir haben auf der einen Seite noch die Braunkohle und die Transformation – insbesondere in der Lausitz und im Mitteldeutschen Revier – hin zu den Erneuerbaren. Die Unternehmen sind da auf dem Weg. Sie haben die volle
Unterstützung der Bundesregierung, insbesondere Ostdeutschland zur Erneuerbaren-Region schlechthin zu machen. Wir sind das in weiten Teilen schon in Brandenburg, in Sachsen-Anhalt, in Mecklenburg-Vorpommern: ein Energieproduzent. Und dort, wo Energie produziert wird, da ist auch Industrie, da sind auch Arbeitsplätze.

Und genau das zeichnet sich jetzt ab. 
Wo jetzt in Adlershof 8.000 Beschäftigte tätig sind, wo es Helmholtz-Zentren gibt, wo Forschung für die Energie der Zukunft stattfindet – das ist Ostdeutschland, das ist Deutschland. Das ist das, was wir einbringen können in unser Land.

Bundesregierung unterstützt Investitionen


Die Bundesregierung wird dies auch weiter unterstützen: die großen Investitionen in der Chipindustrie in Sachsen-Anhalt, aber auch im Bereich der Halbleiter in Dresden. Es waren kluge landespolitische Entscheidungen, in diese Zukunftsprojekte zu investieren. Dort, in Ostdeutschland, werden wir die größten Investitionen haben, die es jemals in Deutschland von ausländischen Firmen gegeben hat. Das ist ein großer Vertrauensvorschuss, das sind große Zukunftsaussichten. Aber das ist auch eine große Leistung, die wir letztendlich auch als Bundesregierung bringen; denn wir finanzieren dies natürlich auch mit. Wir sehen also: An dieser Stelle ist viel Wasser im Glas. Mein Glas ist nicht nur halbvoll, sondern richtig voll.

Jetzt komme ich ein bisschen zu den Gefühlspunkten. Die sind ambivalenter. Bei vielen Ostdeutschen haben die 33 Jahre auch Wunden hinterlassen. Über diese Wunden hielt Bundeskanzlerin Angela Merkel am 3. Oktober 2021 in Halle eine bemerkenswerte Rede zum Abschluss ihrer Kanzlerschaft, in die insbesondere auch persönliche Erfahrungen eingeflossen sind. Zum Beispiel hatte ein Journalist sie, die damalige Bundeskanzlerin, in einem Text als „angelernte Bundesdeutsche und Europäerin“ bezeichnet, als gäbe es zwei Kategorien: hier die Autochthonen und dort die Angelernten, die ihre Zugehörigkeit erst noch beweisen müssen. Angela Merkel war zu Recht empört. 

Auch im Jahr 2023 existieren zwischen Ost- und Westdeutschen noch eine Menge Vorurteile und Missverständnisse. Hinzu kommen strukturelle Ungleichheiten. Noch immer gibt es zu wenige Ostdeutsche in Führungspositionen. Man muss in diesem Land, wenn man teilhaben will – auch an der Macht –, mit Blick auf Repräsentation die gleichen Chancen haben. Wir als Bundesregierung gehen dort jetzt voran. Aber es ist insbesondere auch für die Kultur und die Wirtschaft eine Aufgabe, Ostdeutschen, aber auch Menschen mit Migrationshintergrund die gleichen Rechte zu geben. 

Wir haben immer noch zu geringe Einkommen. Es war richtig und wichtig, dass wir den gleichen Mindestlohn deutschlandweit eingeführt und ihn erhöht haben. Aber der Mindestlohn ist nur das Mindeste: Wir brauchen Tariflöhne. Wir brauchen stärkere Gewerkschaften und auch Menschen, die sich engagieren, und letztendlich brauchen wir auch höhere Einkommen.
Und wir haben eine extreme Vermögensungleichheit. In Ostdeutschland wird nicht geerbt. Das bedeutet auch Unsicherheit. Denken Sie an die Demonstrationen im letzten Jahr, als es um die Energieversorgungssicherheit ging und um die Frage: Wie hoch sind die Gaspreise? Wie hoch sind die Strompreise? Wenn Sie vielleicht 30 000 oder 40 000 Euro im Rücken haben, sehen Sie das ein bisschen entspannter, als wenn Sie am 25. des Monats kein Geld mehr auf dem Konto haben. Nach Erkenntnissen des Ostdeutschen Sparkassenverbands hat die Hälfte der Ostdeutschen zum Monatsende auf dem Girokonto und auch sonst auf der Habenseite null. Das heißt: Diese Unsicherheit führt natürlich auch zu Angst und zu gesellschaftlicher Friktion. Deswegen ist die Adressierung der Vermögensgleichheit und des Aufbaus von Vermögen für mich eine zentrale Aufgabe. Dazu werde ich auch weiterhin Vorschläge machen.

Kurzum: Wir können stolz sein auf dieses Land. Wir können stolz sein auf das, was wir geschafft haben. Ich wünsche mir nur, dass wir noch mehr Dialog und mehr Streit untereinander haben und dass wir darauf stolz sind, dass wir als Bundesrepublik Deutschland mitten in Europa ein stabiler Faktor für eine starke Europäische Union sind. Wer hätte das gedacht! 

Die vollständige Rede gibt es in der Mediathek des Bundestages .