„Es gibt ja nicht nur Protest, Viele sehen auch die Chance“

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Interview mit der Schweriner Zeitung „Es gibt ja nicht nur Protest, Viele sehen auch die Chance“

In der Schweriner Zeitung spricht der Ostbeauftragte über den geplanten Bau des LNG-Terminals, warum die Wahl auf den Standort Mukran gefallen ist und entstehende Chancen für die Region und die Wirtschaft.

Staatsminister Carsten Schneider spricht in ein Mikrofon

Staatsminister Schneider im Gespräch

Foto: Bundesfoto/Christina Czybik

Herr Schneider, wie oft waren Sie jetzt schon auf Rügen?

Schneider: Ach sicherlich schon vier- oder fünfmal. Ich komme immer wieder gern her.

Nun hat Ihnen ja der Bundeskanzler ein Thema zugeschoben, mit dem man eigentlich keinen Blumentopf gewinnen kann: Sie sollen den Menschen auf der Insel Rügen ein LNG-Terminal verkaufen, das diese nicht haben wollen. Sind Sie damit glücklich? 
Schneider:
Es gibt ja nicht nur Protest. Viele sehen auch die Chance, die das Projekt für eine dauerhafte Stärkung der Wirtschaft auf Rügen bietet. Aber natürlich kann ich auch verstehen, dass es bei einem solchen Projekt Sorgen und Fragen gibt, gerade in einer touristisch so attraktiven Region wie Rügen. Das Modell eines LNG-Terminals auf offener See vor Sellin war ein Fehler. Aber in Mukran haben wir dafür nun eine gute Lösung gefunden und ich bin überzeugt, dass wir einen Einspeisepunkt für Flüssiggas in Ostdeutschland brauchen.

Warum, erläutern Sie das bitte?
Schneider:
Weil wir einfach keine ausreichende West-Ost-Verbindung der Gasnetze in Deutschland haben. Und weil eine Versorgung nur über die LNG-Terminals an der Nordseeküste nicht ausreicht. Unser ganzes Gassystem war jahrelang auf den Import von russischem Gas über Ostdeutschland ausgerichtet. So einen Ausfall kann man nicht von heute auf morgen ersetzen. Wir brauchen eine Einspeisung im Osten, um Ost- und Süddeutschland, aber auch in unsere östlichen Nachbarstaaten zu versorgen. Denn bei einem Stopp des Gastransits über die Ukraine, einem richtig kalten Winter oder einer Sabotage etwa der Leitungen aus Norwegen wären wir ohne Einspeisung im Osten ganz schnell in der Situation, dass in Brandenburg, Sachsen und Thüringen, aber auch in Tschechien und Österreich, Fabriken herunterfahren müssen und die Wohnungen kalt bleiben. Darauf müssen wir vorbereitet sein. Gutachten der Bundesnetzagentur unterstreichen das und auch das Bundesverwaltungsgericht hat diese Argumentation vor Kurzem als plausibel bewertet. Deshalb bin ich Mecklenburg-Vorpommern dankbar. Auch für den Öleinspeisepunkt für Schwedt hier in Rostock, der für die Versorgung mit Benzin, Kerosin und Diesel in Ostdeutschland unverzichtbar ist. 

Aber warum dann nicht in Rostock auch einen Anlandepunkt für das Gas?
Schneider:
Wir haben diese Option eingehend geprüft. Es hat sich gezeigt, dass aus Gründen der Risikovorsorge und was den Platz zum Manövrieren der Schiffe angeht, es nicht möglich ist Öl und LNG-Gas gleichzeitig im selben Hafen zu löschen. Man darf auch nicht vergessen: Das ostdeutsche Gasnetz ist mit erheblichem Aufwand und auch mit Eingriffen in die Natur bis nach Lubmin ausgebaut worden. Dort stehen – anders als in Rostock – wie erwähnt große und aktuell nicht genutzte Leitungskapazitäten zur Verfügung. Es wäre kaum vermittelbar, würde man das jetzt nicht auch nutzen.

Dennoch bleibt, die Insel Rügen ist ein hochsensibler Ort – mit sehr viel schützenswerter Natur.  Kommen Sie da nicht ins Grübeln, ob das der richtige Standort ist?
Schneider:
Klar, deshalb haben wir die verschiedenen Varianten ja intensiv geprüft. Genau deshalb haben wir ja die anfängliche Idee in Sellin verworfen. Wir haben an der Ostsee aber eine hervorragende Infrastruktur mit den vorhanden Gasleitungen Eugal und Opal in den Süden. Das ist alles da. 

Aber warum dann nicht in Lubmin anlanden, wo der Einspeisepunkt dieser Gasleitungen liegt?
Schneider:
Da ist die Kapazität einfach begrenzt. Große Tanker können wegen des niedrigen Fahrwassers im Greifswalder Bodden nicht direkt nach Lubmin fahren. Das Flüssiggas müsste auf offener See in kleinere Pendelschiffe umgeladen werden. So ein Pendelfährverkehr wäre aufgrund des sensiblen Meeresraums im Greifswalder Bodden aber auch unter Umweltverträglichkeitsaspekten schwierig. Deshalb haben wir uns nun für den Industriehafen Mukran entschieden. Hier ist alle Infrastruktur für Fährverkehr und für Industrie vorhanden. Hinzu kommt, dass es dem Hafen eine wirtschaftliche Perspektive schafft und die Region davon profitiert. Die Menschen dort können auch noch ein paar andere Jobs gebrauchen als ausschließlich im Dienstleistungsbereich. Zumal diese neuen Jobs gut bezahlt sind. Mukran ist in der Abwägung die beste Lösung. 

Warum kommt das so nicht rüber, selbst Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und die Landesregierung haben sich im Bundesrat gegen das Terminal in Lubmin gewandt?
Schneider:
Ich akzeptiere diese Haltung und Entscheidung. Es hat ein demokratisches Verfahren mit Entscheidungen im Bundestag und im Bundesrat gegeben. Ich bin mit Manuela Schwesig im ständigen Austausch und ich werbe ja auch auf der Insel um die Akzeptanz für dieses Projekt. Rügen kann mehr als Tourismus. Es geht auch um grünen Strom und um Wertschöpfung. Mecklenburg-Vorpommern hat große Chancen als Energieerzeugerland – mit Einkommen, die über dem Mindestlohn liegen. 

Fühlen Sie sich von Frau Schwesig falsch verstanden?
Schneider:
Nein, gar nicht. Manuela Schwesig ist seit vielen Jahren eine enge Vertraute. In diesem Punkt hat sich das Land einfach anders entschieden. Das gilt es zu akzeptieren. Genauso wie Mecklenburg-Vorpommern die demokratischen Entscheidungen in Bundesrat und Bundestag akzeptieren muss. Aber ich sage noch mal, wir haben kommunikative Fehler gemacht. Ich hoffe, dass die Wogen bis Ende des Jahres geglättet sind, und dass die Chancen für die wirtschaftliche Entwicklungen erkannt werden. Dabei kann der Bund auch unterstützen.

Was meinen Sie damit?
Schneider:
Das heißt zum Beispiel, dass für die Eisenbahnverbindung von Berlin über Stralsund bis nach Saßnitz ein beschleunigtes Verfahren ermöglicht wird. Das heißt, dass die Region auch von den Steuereinnahmen profitiert. Wir werden mit dem Land und dem Landkreis über die Wirtschaftsförderung reden. Wo wir als Bund helfen können, um die wirtschaftliche Entwicklung und auch die Wärmewende voranzubringen, werden wir helfen. Alles was umsetzbar ist, werden wir versuchen. 

Die Gegner wollen das nicht glauben, vor allem glauben Sie nicht an eine Gasmangellage, für die das Terminal vor allem gebaut wird. Warum glauben Sie an eine Gasmangellage?
Schneider:
Die Analyse der Bundesnetzagentur ist da ganz klar. Wer auf Kante fährt, kann leicht abrutschen. Auch aus der Erfahrung, dass Energie als Waffe eingesetzt werden kann, müssen wir uns absichern und bei der Energieeinspeisung auf mehrere Quelle setzen. Das haben wir bei Nordstream gelernt. Wir bauen im Westen vier Terminals auf – im Osten gibt es aktuell nur das provisorische Terminal in Lubmin mit geringer Einspeisung. Denn wie gesagt: Auf eine Versorgung nur über den Westen zu setzen, die nur bei schönem Wetter gerade so reicht – das wäre politisch und wirtschaftlich unverantwortlich. Grade nach den schmerzhaften Erfahrungen im letzten Jahr muss uns das klar sein. Wir brauchen eine verlässliche, robuste Energieversorgung. Mit Puffern, die auch mal einen Sturm aushalten. Wir brauchen an jedem Tag eine ausreichende Versorgung, besonders an kalten Wintertagen. Da helfen uns keine Studien mit Monatsszenarien. Wir müssen alles daransetzen, dass es nicht mehr zu einem Anstieg der Energiepreise kommt wie 2022. Dafür brauchen wir Mukran. 

Sie gehen davon aus, dass es bei dem Anladepunkt in Mukran bleibt und die Pipelines nach Lubin verlegt werden, auch   gegen den Willen vieler Bürger auf der Insel?
Schneider:
Ich gehe davon aus, dass am Ende Mecklenburg-Vorpommern stärker dastehen wird. Weil sich neue Unternehmen ansiedeln. Weil diese Unternehmen Gewinne machen und auf diese Gewinne auch Steuern zahlen. Das ist eine große Chance für das Land.

Und was sagen Sie der Bürgerinitiative?
Schneider:
Dass wir ein rechtsstaatliches Verfahren haben und sie dabei ja auch von ihren Möglichkeiten Gebrauch machen können. Dass ich aber auch davon ausgehe, dass die Beschlüsse in Bundestag und Bundesrat Bestand haben. Deutschland ist ein Industrieland. Darauf gründen wir unseren Wohlstand. Deshalb brauchen wir diese Infrastruktur. Nur eine schöne Aussicht reicht nicht, um unseren Wohlstand zu halten. Trotzdem ist natürlich wichtig, dass die Auswirkungen des Projekts auf Menschen, Umwelt und Tourismus so gering wie möglich ausfallen. Wir haben uns daher entschieden, die Schiffe in einem etablierten Industriehafen zu platzieren, um den Flächenverbrauch so gering wie möglich zu halten. Wichtig für die Bundesregierung ist: Das LNG muss sich in Rügen integrieren und darf den Tourismus und die Umwelt nicht beeinträchtigen.
 

Das Interview erschien am 5. Oktober 2023 in der Schweriner Zeitung.