Interview mit Dr. Stephan Keller und Sven Schulze
Zur Zukunft der Kommunalpolitik am Beispiel der Partnerstädte Chemnitz und Düsseldorf.
Befragungen zur Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie und zum Vertrauen in die gewählten Politiker zeigen, dass die Kommunen die höchste Zustimmung bekommen. Sie sind den Bürgerinnen und Bürgern nicht nur am nächsten. Es hat auch den Anschein, dass ihre demokratischen Institutionen schneller die Veränderungen in der Gesellschaft abbilden, als dies bei Bund und Ländern geschieht. So nimmt etwa die Anzahl der Parteien in den kommunalen Vertretungen zu. Immer mehr Kandidaten ohne Parteimitgliedschaft werden gewählt. Was bedeutet das für die kommunalpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten? Gibt es Unterschiede zwischen Ost und West? Dazu äußern sich die Oberbürgermeister der Städte Chemnitz und Düsseldorf, Sven Schulze (SPD) und Dr. Stephan Keller (CDU), deren Städte seit 1988 durch eine deutschdeutsche Städtepartnerschaft verbunden sind.
Im Stadtrat von Chemnitz gibt es aktuell neun Parteien, in Düsseldorf sogar elf. Welche Auswirkungen sind damit verbunden?
Dr. Stephan Keller: Wir sehen schon, dass die Zersplitterung in den Stadträten die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt. Gerade die kleineren Parteien nehmen ihre Minderheitenrechte sehr intensiv in Anspruch, manchmal auch bis an die Grenze des Missbräuchlichen, insbesondere durch Antragsrechte. Wir werden zum Beispiel von einer Gruppe, die noch nicht einmal Fraktionsstärke hat, in jeder Ratssitzung mit einer Fülle von Anfragen bombardiert, welche die Verwaltung sehr intensiv beschäftigen. Ich gehe noch nicht so weit zu sagen, dass so etwas die Arbeitsfähigkeit eines Rates tatsächlich verhindert. Wir haben jedoch eine Beeinträchtigung, weil die Verwaltung über Gebühr beschäftigt wird mit der Beantwortung von teilweise unsinnigen Anfragen.
In meiner Zeit beim Deutschen Städtetag habe ich die Abschaffung der Fünf-Prozent-Klausel im Kommunalwahlrecht verfolgt. Wir haben da seinerzeit das Ende des Abendlandes befürchtet. Das ist nicht eingetreten. Man kann nicht behaupten, dass das Entfallen einer Sperrklausel mit einer Zersplitterung der Räte wirklich zu einem Ende der lokalen Demokratie führt. In Düsseldorf haben wir seit 1999, also seit dem Wechsel unseres kommunalrechtlichen Systems, sogar immer sehr stabile Mehrheiten – eigentlich immer Zwei-Parteien-Koalitionen bis auf die letzte Wahlperiode – gehabt.
Daher sind wir weiter arbeitsfähig und teilen nicht das Schicksal manch anderer Kommune in NRW, wo kaum noch stabile Koalitionen oder Kooperationen gebildet werden können, weil man immer mehrere Partner dafür braucht. Aber wir beobachten das auch mit Sorge, und ich gehe davon aus, dass wir es nach der nächsten Wahl nicht mehr so leicht haben werden, wieder eine Zweier-Koalition zu bilden.
Sven Schulze: Die Situation in Chemnitz ist anders. Wir haben schon seit 2019 keine stabile Rathausmehrheit mehr. Dennoch: Unabhängig davon werden 75 Prozent aller Vorlagen im Rat mit einer großen, übergreifenden Mehrheit beschlossen. Da geht es nicht um eine Brandmauer, sondern um konkrete Sachpolitik vor Ort, z. B. die Sanierung einer Straße, Mittel für den Ausbau einer Schule, Bebauungspläne usw. Nur 25 Prozent der Vorlagen sind umstritten. Diese werden mitunter heftig diskutiert und dann natürlich auch medial wahrgenommen. Aber es ist nicht so, dass eine Zersplitterung im Stadtrat dazu führt, dass man nichts mehr entscheiden kann. Die zentralen Projekte im Rat, wie zum Beispiel Haushalte oder große strategische Vorhaben, bedürfen natürlich einer größeren Mehrheit und bekommen sie auch übergreifend im demokratischen Spektrum. Die Diskussion dauert schon einmal länger, weil viel mehr Partikularinteressen eine Rolle spielen.
Was bedeutet diese zunehmende Vielfalt kommunalpolitisch für die Parteien?
Dr. Stephan Keller: Die Parteien müssen eine größere Kooperationsbereitschaft untereinander aufbringen und sich immer stärker davon verabschieden, ihre eigene Programmatik ohne Abstriche durchsetzen zu können. In unserer Koalition gibt es viele innerhalb der CDU, die sagen, ihr macht viel zu viel grüne Politik, und bei den Grünen heißt es, ihr setzt nicht genug Grün pur durch. Das führt bei denen auch zu Unzufriedenheit. Darunter leiden beide Parteien auch in Form von rückläufigen Wahlergebnissen. Das ist ein Phänomen, das man auf Bundesebene in der großen Koalition beobachten konnte: Von dieser Zusammenarbeit hat demoskopisch und dann auch bei den Wahlen keiner der beiden Partner profitiert. Es ist die große Herausforderung für die Parteien, dass sie mit einem Profil antreten, das sie aber dann anschließend, weil sie sich mit mehreren Kräften abstimmen müssen, nicht durchgesetzt bekommen und dann Erklärungsprobleme gegenüber der eigenen Klientel haben.
Sven Schulze: Das sehe ich ähnlich. Das ist unser Spagat zwischen Profilierung und der Fähigkeit, notwendige Kompromisse für praktische Politik zu machen. Am Ende kommt es jedoch genau darauf an. Entscheidend ist, dass auch die handelnden Personen offen und fair miteinander umgehen, auch bei allen unvermeidlichen politischen Diskussionen. Wenn das gewährleistet ist, dann kriegen sie auch ihre Parteien mit auf Kurs, und dann werden Entscheidungen im Sinne der Stadt getroffen. Wenn das auf der persönlichen Ebene nicht funktioniert, wird es ungleich schwieriger.
Stichwort Personen: Wie wichtig ist im Spagat zwischen Kompromissfindung und Profilierung die Direktwahl der Oberbürgermeister?
Dr. Stephan Keller: Die Direktwahl stärkt die Rolle des Oberbürgermeisters ganz massiv. Das ist auch wichtig in einer politischen Landschaft, die diverser und pluraler wird. Da der Oberbürgermeister mit einem eigenen Mandat ausgestattet ist, kann er damit auch ein großes Gewicht in die Waagschale werfen. Auch im politischen Diskurs ist das viel effektiver, wenn er im Gesamtprozess einer städtischen Governance auf ein eigenes Mandat verweisen kann, als wenn er nur der Kandidat der größten Fraktion im Stadtrat gewesen ist. Ich persönlich kann mir kaum vorstellen, wie man anders diese Rolle ausüben könnte, und finde es deshalb auch richtig, dass wir auch die Amtsperioden entkoppelt haben. Es ist nicht nur eine Machtposition, sondern auch ein gewisser Auftrag in der Verantwortung, die dann in diesem Amt liegt, zugleich auch über den Fraktionen der Parteien zu agieren, weil der OB als Chef der Verwaltung sich darum kümmern muss, dass es eine Mehrheit für gewisse Vorschläge gibt, damit es in der Stadt vorangeht.
Wenn mehr Kandidaten ohne Parteibindung antreten, droht dann vielleicht ein Ende der Parteiendemokratie? Gibt es da Ost-West-Unterschiede, weil die Anzahl der Mitglieder in den Parteien in Ostdeutschland geringer ist?
Sven Schulze: Der Befund ist richtig, dass zunehmend mehr Kandidaten ohne Bindung an Parteien oder auch an Gruppierungen antreten. Vielleicht ist das noch mehr ein Phänomen des ländlichen Raumes als der größeren Städte. In Sachsen nehme ich wahr, dass die Parteien im ländlichen Raum viel weniger Bedeutung haben als in den Städten. Da sehe ich schon einen Ost-West-Unterschied, weil der Osten ländlicher geprägt ist. Der Westen hat mit den Parteien auch 40 Jahre Vorsprung für ein Vertrautsein bis hinein die Familien und viele Karrieren, die in Parteien stattgefunden haben.
Im Osten ist es eher ein Qualitätsmerkmal, kein Mitglied einer Partei zu sein. Da wirken natürlich 40 Jahre SED nach. Mit der geringeren Bindung ist aber auch die politische Einordnung von Grundpositionen – also wer mit wem kann – weniger fixiert. Das ergibt zwar einerseits mehr Flexibilität als im Westen. Auf der anderen Seite führt das aber dazu, dass es an den Rändern des politischen Spektrums zu mehr Verfärbung kommt.
Dr. Stephan Keller: Der Befund, dass parteilose Kandidaten bei Bürgermeister- und Oberbürgermeisterwahlen stärker werden und größere Chancen haben, ist absolut richtig, auch für Nordrhein-Westfalen. Zahlenmäßig ist es wohl so, dass tatsächlich ungefähr ein Drittel aller Hauptverwaltungsbeamten in NRW keiner Partei angehören. Es ist allerdings ein Phänomen der kleineren Städte. Es gibt meines Wissens in NRW eigentlich nur eine große Stadt, die eine parteilose Oberbürgermeisterin hat, und das ist Köln. Aber auch da ist die Oberbürgermeisterin von einem Parteienbündnis unterstützt worden. Das ist etwas anderes, als wenn jemand völlig ohne Parteienbindung antritt.
Die Stimmung, „parteilos ist ein Qualitätsmerkmal“, wird auch hier stärker. Parteizugehörigkeit wird oft mit Parteiengezänk und Parteiinteresse identifiziert, und allein der Begriff der Parteipolitik ist schon negativ besetzt, so als ginge es dabei nicht um die Sache. Trotzdem ist es für Düsseldorf und NRW immer noch schwer vorstellbar, dass hier ein Kandidat ohne Parteibindung bei der Oberbürgermeisterwahl erfolgreich sein könnte. Schon allein aufgrund der Logistik, die von vielen Ehrenamtlern abhängt, haben es unabhängige Kandidaten extrem schwer ohne Parteiapparat. Das mag ein weiterer Ost-West-Unterschied bei der Parteibasis sein.
Sie sagten, die große Mehrheit der Vorlagen in der Ratsarbeit werde am Ende mit großer Mehrheit beschlossen. Wie gehen Sie jedoch mit destruktiven Vorstößen um?
Sven Schulze: Da ist es wichtig, Haltung zu zeigen und nicht über jedes Stöckchen zu springen, nicht jede Provokation mitzumachen. Diese Entscheidung muss ich innerhalb von Sekunden treffen. Insofern ist es immer eine Intuition: Wo sage ich mal was, und wo lasse ich das versanden? Wir hatten schon die Forderung aus dem rechten Spektrum, dass wir die Europäische Kulturhauptstadt zurückgeben. Da gab es einen Schulterschluss mit Argumenten von verschiedenen Parteivertretern des Spektrums von der Linken bis zur CDU. Das verlief ganz sachlich. Nicht, weil die Forderung von der Partei A oder B kommt! Das wurde eine sehr sachliche, konstruktive, rhetorisch gute Debatte.
Dr. Stephan Keller: So ein Beispiel für einen wirklich destruktiven Vorschlag kann ich aus Düsseldorf gar nicht liefern. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass bei uns im Rat zwar die Ränder vertreten sind, diese aber in meiner Wahrnehmung nicht krass destruktiv sind. Manchmal kommen natürlich politisch sehr pointierte Vorschläge wie zum Beispiel von einer Klimaschutzpartei, die vorschlägt, man möge den Flughafen Düsseldorf für Privatflugzeuge sperren. Das ist aber für mich noch nicht krass destruktiv, sondern politisch sehr weitreichend oder auch provokant. Da findet eigentlich der Rat immer eine vernünftige Lösung, damit umzugehen.
Haben Sie in Ihren Städten Erfahrung mit Bürgerräten, Bürgerparlamenten, Bürgerhaushalten oder anderen Formen der Bürgerbeteiligung?
Sven Schulze: Wir haben bei uns ein Element, das nennt sich Bürgerplattformen. Da sind einige Stadtbezirke zusammengefasst; und dort wird zivilgesellschaftliches Engagement gefördert. Gibt es eine bürgerschaftliche Struktur, dann bekommt die jeweilige Bürgerplattform einen Zuschuss, den man mit dem Bürgerhaushalt vergleichen könnte. Aber es ist dezentral. Und es sind ganz konkret 1,61 Euro je Einwohner. Es wird von diesen Strukturen entschieden, was dann vor Ort an Projekten und Anschaffungen gemacht wird. Das machen wir seit fast fünf Jahren.
Dr. Stephan Keller: Bürgerhaushalt oder Bürgerparlament machen wir nicht. Aber wir haben insbesondere im Bereich der Stadtentwicklung und der städtischen Großprojekte eine sehr intensive Form der Bürgerbeteiligung entwickelt, die von Projekt zu Projekt anders gestaltet wird. Ein prominentes Beispiel ist der Prozess für ein neues Opernhaus. Wir wollen in Düsseldorf unser altes Opernhaus ersetzen durch einen Neubau. Da gibt es jetzt seit zwei Jahren wirklich einen sehr intensiven Beteiligungsprozess. Dabei wurde auch ein Bürgerrat mit zufällig ausgewählten Menschen aus der Stadt beteiligt, die in drei Workshops Antworten auf bestimmte Fragen entwickelt haben, die dann in den Entscheidungsprozess eingegangen sind.
Wir haben zudem in einem Stadtteil ein Kinderparlament gegründet, um die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen noch mal mit einem besonderen Element zu erproben. Damit sammeln wir gerade Erfahrungen.
Diese gewachsene Pluralität kann man auch als Ausdruck von Freiheit und mehr Individualität verstehen. Wie sehen Sie Chancen und Risiken?
Dr. Stephan Keller: Grundsätzlich ist Pluralität zu begrüßen. Auch die Freiheit für individuelle Lebensentwürfe ist uns sehr wichtig. Wir versuchen, Diversität, Pluralität, Vielfalt, Weltoffenheit zu leben und Düsseldorf auch als eine Stadt zu positionieren, in der jeder im Prinzip nach seiner Façon glücklich werden kann. Umgekehrt betrachte ich die Kehrseite schon mit einer gewissen Sorge. Dass die Gesellschaft immer heterogener wird und damit die Fliehkräfte in der Gesellschaft einfach stärker werden, dass es immer schwerer wird, Mehrheiten für Themen zu generieren, und vor allem dass es immer schwerer fällt, gesellschaftlichen Konsens herzustellen, das ist meines Erachtens eher das Thema. Es geht eben nicht nur um die Mehrheit für den Bau eines Opernhauses, sondern auch um bestimmte Haltungsfragen.
Das ist sehr deutlich geworden an den großen krisenhaften Entwicklungen der letzten Jahre: Corona oder die Angriffe auf die Ukraine und auf Israel sowie deren Folgen. Und da stellt man doch fest, dass die Heterogenität der Gesellschaft schon auch Dinge schwerer macht. Es droht die Kraft verloren zu gehen, die eine Gesellschaft voranbringen kann. Wenn alle in unterschiedliche Richtungen zerren, gibt es kein Vorwärts mehr.
Sven Schulze: Es ist ja Grundprinzip unserer Demokratie, dass am Ende ein gemeinschaftliches Interesse über möglichen Einzelinteressen stehen muss. Das ist das, was wir als Oberbürgermeister bei unseren Entscheidungen im Blick haben müssen.
Bei den vielfältigen Stadträten gibt es schon hier und da mal Anzeichen, dass sich eine negative Mehrheit bildet, die dagegen ist, was immer vorgeschlagen wird. Wenn es für eine Vorlage drei Beschlussvorschläge gibt, aber am Ende wird nichts beschlossen, weil es für keinen Vorschlag eine Mehrheit gab, haben Sie eine negative Mehrheit.
Zudem sehe ich mit Sorge, dass Respekt und Toleranz vor Meinungen von anderen abnehmen. Es geht ja gar nicht darum, die Position des anderen zu übernehmen. Sie sollte aber zumindest respektiert und angehört werden, es sollte zudem eine politisch-inhaltliche Auseinandersetzung darum geben. Das hat im politischen Diskurs aus meiner Sicht leider abgenommen, und das wünsche ich mir für die Zukunft, dass wir das wieder schaffen. Dass wir auch jemanden anhören, der nicht unserer Meinung ist. Dass wir versuchen, eine andere Mehrheit zu bekommen, ist das eine.
Das aber nicht ins Persönliche oder ins sehr Aggressive greifen zu lassen gehört auch zu einer zivilisierten politischen Diskussion.
Dr. Stephan Keller: Das würde ich wirklich gerne auch noch mal unterstreichen wollen. Der Ton in der gesellschaftlichen Debatte ist rauer geworden. Die einzelnen Positionen stehen sich unversöhnlicher gegenüber. Viele sind in der Politik immer weniger bereit, tatsächlich einander zuzuhören und dabei auch irgendwo die Legitimität der Position des jeweils anderen anzuerkennen. Dazu gehört auch, dass Kritik an Entscheidungen, und seien sie auch noch so unbedeutend oder marginal, immer häufiger mit einer Ablehnung des Systems verknüpft ist. Wir bauen z.B. in einer Straße Parkplätze ab, weil wir da Bäume pflanzen wollen. Das finden die einen gut, weil sie sagen: Wir brauchen mehr Grün in der Stadt. Die anderen finden das schlecht, weil sie sagen: Wo kann ich dann abends noch mein Auto abstellen? Eigentlich eine ganz klassische Frage, die von Politik entschieden werden muss, bei der es widerstreitende Interessen gibt. Ich erlebe dabei immer häufiger, dass dann derjenige, der z. B. gerne an den Parkplätzen festhalten möchte, sagt: Was seid ihr eigentlich alles für Versager? Das ist ja eine völlig bescheuerte Entscheidung! Ihr dürft euch nicht wundern, wenn wir demnächst alle radikal werden.
In dem Fall, in dem man das eigene Interesse nicht durchsetzt, schlägt es oft um in eine sehr fundamentale Kritik am politischen System. Das finde ich bedenklich.
Wir werden es als Entscheider, die Oberbürgermeister nun einmal auch sind, nie allen recht machen können. Das erhöht den Begründungsaufwand für die Entscheidungen, die wir treffen. Man muss zudem immer noch viel mehr kommunizieren und den Menschen erklären, warum man so entschieden hat. Aber es hilft auch nicht immer.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Sven Schulze: Weil Bürgermeisterinnen und Bürgermeister heute unter einem hohen Druck stehen und der Ton so rau wird, wird es immer unattraktiver, ein politisches Amt zu übernehmen. Das führt aber am Ende dazu, dass die Auswahl unserer politischen Entscheidungsträger nicht unbedingt von bester Qualität ist, weil gute Leute sich das nicht antun wollen, lieber andere Aufgaben suchen und gar nicht erst antreten. Deshalb wäre mein Wunsch, dass wir die Entwicklung, dass viele Politik an sich oder unser System insgesamt negativ bewerten, umkehren können.
Dr. Stephan Keller: Das kann ich voll unterstützen. Ich wünsche mir zudem, dass durch das Erstarken der politischen Ränder keine Spaltung entsteht, auch keine zwischen Ost und West, die unsere über Jahre gewachsene Verbundenheit beschädigt.
Dr. Stephan Keller
ist seit November 2020 Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Düsseldorf. Der promovierte Jurist ist in verschiedenen Aufsichtsräten großer Düsseldorfer Unternehmen tätig. Ehrenamtlich unterstützt er den Förderverein des Interdisziplinären Zentrums für Palliativmedizin an der Uniklinik Düsseldorf und die Benefizregatta „Rudern gegen Krebs“.
Sven Schulze
Jahrgang 1971, ist seit dem 25. November 2020 Oberbürgermeister von Chemnitz. Zuvor war er fünf Jahre Finanz- und Personalbürgermeister der Stadt. Vor seiner kommunalpolitischen Tätigkeit war er 18 Jahre bei einem Energieversorger. Schulze ist seit 1990 Mitglied der SPD.