Rede im Deutschen Bundestag

Strukturwandel in ostdeutschen Regionen Rede im Deutschen Bundestag

Staatsminister Carsten Schneider spricht in seiner Rede über die Situation in ostdeutschen Strukturwandelregionen.

Staatsminister Carsten Schneider am Mikrofon

Staatsminister Carsten Schneider während einer Rede

Foto: Bundesfoto/Christina Czybik

Es gilt das gesprochene Wort:

Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Frau Präsidentin! Guten Morgen! Vielen Dank an die Unionsfraktion für die Anträge. Das gibt mir Gelegenheit, auf die Situation in den ostdeutschen Strukturwandelregionen, die vom Kohleausstieg betroffen sind, einzugehen und hier auch einiges klarzustellen.

Ich will aber voranstellen: Die wichtigsten Grundlagen für die Strukturstärkung in den betroffenen Regionen sind erstens das Gesetz selbst und zweitens ein funktionierender der Staat – inklusive Bundeshaushalt; denn daraus kommen die Mittel, insbesondere für die Transformation. Dieser Koalition – innerhalb der Regierung und auch
im Parlament – ist es gelungen, in schwierigen Zeiten einen Bundeshaushalt aufzustellen, der die Investitionen absichert, der vor allen Dingen aber auch den Kohleregionen eine Garantie für die Strukturmittel gibt und dabei die Schuldenbremse einhält – das Ganze kombiniert mit einem starken Wachstumspaket, angebotsseitig, um die Wachstumskräfte und das Potenzialwachstum in Deutschland zu stärken und anzukurbeln. Deswegen ist dies aus meiner Sicht ein gelungener Vorschlag, um in weltweit unsicheren Zeiten zu einem noch stärkeren wirtschaftlichen Wachstum in Deutschland zu kommen.

Was ist zu Ihren Anträgen zu sagen? Zunächst einmal: An dem Gesetz zur Strukturstärkung ändern wir nichts, insbesondere auch nicht an den Ausstiegsszenarien; da herrscht Klarheit. Und ich will hier auch klar sagen: Die Energiepolitik ist einer der zentralen Pfeiler dieser Bundesregierung, aber auch der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik.

Dass es uns gelungen ist, in diesem ersten Halbjahr den Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch auf fast 60 Prozent zu erhöhen, zeigt, dass wir das Ganze kostengünstig machen und dabei nicht Geld ins Ausland transferieren, sondern hierbehalten, dass wir das nachhaltig machen, aber vor allen Dingen auch, dass wir uns mit einem Energiemix unabhängig machen von einem einzigen internationalen Akteur, nämlich von Russland.

Das ist gelungen, indem wir uns mit LNG unabhängig gemacht haben. In Mukran haben wir innerhalb von neun Monaten ein LNG-Terminal auf den Weg gebracht, das die Erdgasversorgung in Ostdeutschland sichert. Das ist
uns gelungen, indem wir die Kolleginnen und Kollegen der LEAG und der MIBRAG trotz anderweitiger Arbeitsangebote, die sie schon hatten, zum Beispiel von der Deutschen Bahn AG in Cottbus – ein Arbeitgeber mit
über 1 200 Arbeitsplätzen, tarifvertraglich bezahlt –, dazu bewegen konnten, ihren Job weiterzumachen, sodass uns in den Jahren 2022, 2023 letztendlich eine Strombrücke geliefert wurde. Das war ein ganz wichtiger
Stabilitätsanker für Deutschland. Zum Zweiten. Wir stehen zu den Zusagen, die wir hier in der Großen Koalition verhandelt haben. Das will ich auch ganz klar in die Regionen sagen, in die Lausitz, in das Mitteldeutsche Revier: Die Strukturanpassungsgelder sowohl für die Beschäftigten als auch für zusätzliche Maßnahmen und die Infrastruktur, wie Kollege Müller
gesagt hat, sowie für zusätzliche Wirtschaftsinvestitionen
sind gesichert; die sind garantiert. Und der Bundeshaushalt bildet die Grundlage dafür. Die Koalition steht zu ihrem Wort.

Dass es in Ostdeutschland genau wie in der Gesamtgesellschaft zurzeit politisch schwierig und umstritten ist, ist keine Frage; das sehen wir. Aber ein Blick auf die harten Fakten zeigt: Die Lage ist deutlich besser als die
Stimmung. Wir werden in Ostdeutschland in diesem Jahr ein Wachstum von über 1,1 Prozent haben – in Westdeutschland nur
0,4 Prozent.

Das ist Fakt; das sind die Zahlen des ifo-Instituts aus Dresden. Diese Entwicklung hat auch etwas damit zu tun, dass wir über eine besondere Anpassungsfähigkeit verfügen, dass Transformation, wie Kollege Müller das
gesagt hat, für uns kein Fremdwort ist. Doch dafür braucht man Sicherheit – soziale Sicherheit und Investitionssicherheit –, aber auch eine industriepolitische Strategie. Diese Bundesregierung hat eine industriepolitische Strategie für Ostdeutschland: Erstens. Wir sichern die Zusagen, die wir im Bereich der Halbleitertechnologie gemacht haben, auch finanziell ab. Magdeburg und Dresden werden die europäischen Zentren der Halbleitertechnologie werden. Wir sichern die zusätzlichen Investitionen, die es im Bereich der Technologien für erneuerbare Energien geben wird, ebenso finanziell ab. Und wir flexibilisieren die Förderzeiträume bei den Strukturanpassungsmitteln.

Das erfolgt im Übrigen – Kollege Kellner wird darauf noch eingehen – in Übereinstimmung mit den betroffenen Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Zweitens: Wir werden das Bundesprogramm STARK öffnen und dann auch direkte Unternehmensinvestitionen bezuschussen können. Bisher war das nicht möglich. Wir öffnen das. Ich bin dem Bundeswirtschaftsministerium
sehr dankbar für diesen Vorschlag, weil wir damit indirekt auch Arbeitsplätze initiieren und schaffen.

Ich denke, wenn Sie sich die Wachstumszahlen angucken, dann zeigt sich, dass in Ostdeutschland besonders die Strukturstärkungsgebiete die Lokomotiven sind. Doch, das sind sie. Schauen Sie sich die Zahlen an! Es ist Sachsen-Anhalt, es ist Brandenburg, und es ist Sachsen. Dass es den Kohleausstieg geben muss, ist doch jede klar. Erstens ist Kohle endlich, und zweitens ist ihre Nutzung für die Umwelt extrem schädlich. Wir machen den Ausstieg über einen langfristigen Zeitraum, und wir bauen neue, zusätzliche Arbeitsplätze auf. Diese Dynamik schafft Sicherheit und diese Sicherheit – das sage ich auch in Richtung der Union –, die wir gemeinsam verabredet haben und zu der wir auch stehen, geben wir den Kolleginnen und Kollegen in den Unternehmen und denjenigen, die in Zukunft nach Sachsen, Brandenburg, Thüringen kommen werden. Das größte Wachstumsproblem, das wir in Ostdeutschland haben, sind die weniger zur Verfügung stehenden Erwerbstätigen in den nächsten Jahren. Deswegen müssen wir eine Powerregion sein – eine Region des Zuzugs, der Rückwanderung von ehemals abgewanderten Ostdeutschen – und besonders auch Weltoffenheit im Herzen tragen, um Menschen willkommen zu heißen, die ihr Glück bei uns suchen. Dann haben wir alle eine gute Zukunft.