Arbeitskräfte
Der Fachkräftemangel in Ostdeutschland nimmt zu. Auch wenn es sich hierbei um ein gesamtdeutsches Problem handelt, steht die ostdeutsche Wirtschaft doch vor besonderen Herausforderungen.
Durch Geburtenrückgang sowie Abwanderung aus dem ostdeutschen Raum ist Ostdeutschland vom demografischen Wandel deutlich stärker und früher betroffen als die westdeutschen Bundesländer. Deshalb ist die Alterung der Bevölkerung in Ostdeutschland stärker als im Bundesdurchschnitt vorangeschritten. Für die Erwerbstätige, die altersbedingt den Arbeitsmarkt verlassen, kommen nicht genügend Berufseinsteiger jüngerer Jahrgänge nach – eine Lücke entsteht zwischen offenen Stellen und denen, die die Stellen besetzen können. Ohne die Anhebung zusätzlicher in- wie ausländischer Potentiale wird der künftige Arbeits- und Fachkräftebedarf nicht gedeckt werden können. Zudem erschwert die Kleinteiligkeit der ostdeutschen Wirtschaftsstruktur, verbunden mit den immer noch niedrigeren Löhnen, die Möglichkeit von potentiellen Arbeitskräften als attraktive Region wahrgenommen zu werden.
Der Ostbeauftragte warnt: „In Ostdeutschland ist der Beschäftigungsanteil von Menschen mit Migrationshintergrund äußerst gering. Im Osten sind also noch größere Anstrengungen nötig, um das ausländische Fachkräftepotential zu heben, als in Westdeutschland. Gleichzeitig helfen all unsere Anstrengungen nichts, wenn sich ausländische Arbeitskräfte in Ostdeutschland nicht hinreichend willkommen und sicher fühlen. Fest steht: Ohne gelebte Willkommenskultur wird es der Osten schwer haben, eine Zukunftsregion zu bleiben!“
Fachkräftepotential besser erschließen
Vor diesem Hintergrund kamen Ende Februar in Schwerin die Regierungschefinnen und -chefs sowie die Chefinnen und Chefs der Staatskanzleien aller sechs ostdeutschen Bundesländer zusammen, um gemeinsam mit dem Ostbeauftragten Carsten Schneider, dem Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und der Vorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, Maßnahmen zu erörtern, wie dem Fachkräftemangel in Ostdeutschland begegnet werden kann und muss. An der Konferenz nahmen zudem Vertreter und Vertreterinnen der Wirtschaft sowie von Sozialverbänden teil. Alle betonten, dass der Fachkräftemangel in Ostdeutschland neben der Bewältigung der Energiewende und den Folgen des Krieges in der Ukraine das dringendste Problem darstellt.
„Nirgendwo sonst in Deutschland werden in den kommenden Jahren anteilig mehr Beschäftigte in den Ruhestand gehen. Bis 2030 werden hierzulande rund 805.000 weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter leben. Das entspricht einem Rückgang von fast 11 Prozent verglichen mit sieben Prozent deutschlandweit. Wir können hier Vorreiter sein bei der Bewältigung des demografischen Wandels, der verzögert auch die westdeutschen Bundesländer treffen wird. Wenn wir Erfolg haben, kann der Westen vom Osten lernen“, betonte der Ostbeauftragter Carsten Schneider.
Bund und ostdeutsche Länder beschlossen bei der Konferenz, dem Fachkräftemangel entsprechend der spezifischen Situation in Ostdeutschland mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen begegnen. Dieser Beschluss umfasst die Steigerung der Attraktivität der Arbeitsbedingungen, die Stärkung der dualen Berufsausbildung, die Fachkräfteeinwanderung, die Intensivierung der Weiterbildung sowie die Förderung einer altersgerechten Arbeitsorganisation.
Anreize schaffen und Lohnlücken schließen
Auch die Tatsache, dass die Löhne in Ostdeutschland über 30 Jahre nach der Wiedervereinigung, insbesondere in nicht tarifgebundenen Beschäftigungsverhältnissen, noch immer deutlich unterhalb des Westniveaus liegen, spielte im Rahmen der Diskussion eine wichtige Rolle.
Carsten Schneider warb auch in diesem Rahmen für eine Arbeitskultur, die auf Anerkennung und Wertschätzung beruht. Ohne sie werde es schwer sein, Arbeits- und Fachkräfte zu finden und zu binden. Ein wichtiger Punkt dabei ist auch die Bezahlung: Ostdeutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verdienen im Durchschnitt rund 619 Euro weniger pro Monat als ihre westdeutschen Kolleginnen und Kollegen. In einigen Branchen sind es sogar bis zu 1000 Euro! „Das darf und kann so nicht bleiben, wenn wir auch künftig als attraktiver Standort nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Arbeitskräfte wahrgenommen werden wollen“, so Carsten Schneider.