„Wichtig ist es, dass die Beziehungen zwischen den Menschen nicht abreißen“

Gruppenfoto des Konsultationsgremiums im Freien

Gruppenfoto des Deutsch-Koreanischen Konsultationsgremiums

Foto: Bundeskanzleramt

Was war das zentrale Ziel Ihres jüngsten Besuchs in Korea?
Mein Besuch in Korea führte mich diesmal vor allem nach Busan. Der Hauptanlass war eine Sitzung des Deutsch-Koreanischen Konsultationsgremium zu Vereinigungsfragen. Dabei geht es vor allem darum, die Erfahrungen der Teilung der Nationen zu teilen und die Wiedervereinigung zu thematisieren. Darüber hinaus wollen wir die bisher schon sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen unseren Staaten vertiefen, zum Beispiel im wirtschaftlichen Bereich.

Was waren die Hauptthemen bei den Gesprächen des Deutsch-Koreanischen Konsultationsgremiums?
Die 13.  Sitzung des Konsultationsgremiums befasste sich insbesondere mit der Integration der Übersiedler im geteilten Deutschland und in Korea heute. Weiterhin wurde zum Beispiel diskutiert, wie Kontakte zwischen den geteilten Ländern aufrechterhalten werden können, wie mit Menschenrechtsverletzten umgegangen wurde und wird und mit welchen Strategien die Wirtschaftsentwicklung gefördert werden kann.

Wie beurteilen Sie die militärischen Provokationen Nordkoreas während Sie sich sonst international isolieren?
Die aktuellen militärischen Provokationen Nordkoreas sind auf das Schärfste zu verurteilen.

Korea kann stark von den Erfahrungen Deutschlands mit der Wiedervereinigung profitieren. Während Ihres jüngsten Besuchs in Korea sagten Sie, dass wir den Traum der Wiedervereinigung nicht aus den Augen verlieren dürfen, damit wir die Gelegenheit nutzen können, wenn Sie sich uns bietet. Es ist nicht so leicht von Wiedervereinigung zu träumen, während die Beziehungen zwischen Nord und Süden so gespalten sind. Welche Anstrengungen sind aus Ihrer Sicht dafür notwendig?
Wichtig ist es, dass die Beziehungen zwischen den Menschen nicht abreißen. Im geteilten Deutschland wurde intensiv Post ausgetauscht, eine besondere Rolle spielte der innerdeutsche Paketverkehr. Zwischen der Bevölkerung der BRD und der DDR war ein reger Paketverkehr einstanden und dies in beide Richtungen. Es gab vor allem für die Menschen aus de BRD, die Möglichkeit Verwandte und Bekannte in der DDR zu besuchen. Zudem waren westliche Radio- und Fernsehprogramme in der DDR zu empfangen, auch waren Sendungen der DDR-Rundfunk- und Fernsehanstalt im Westen zu empfangen. Dadurch waren die Menschen über die Lebenssituation im je anderen Teil Deutschlands informiert, wodurch Vergleiche möglich wurden.
Bedeutsam ist auch, dass die Bundesrepublik das Ziel der Wiedervereinigung ins Grundgesetz aufgenommen hatte.   Die staatlichen Organe haben dieses Ziel in der Folge nie aus den Augen verloren.

Die aktuellen Beziehungen zwischen den beiden Koreas sind gestört. Galt das auch für die beiden Deutschen Staaten vor der Wiedervereinigung? Wenn ja, wie wurde das überwunden? In aktuellen Umfragen sagen 7 von 10 Koreanern, sie befürworten eine Wiedervereinigung, aber nur 3 von 10 halten das für realistisch. Dieser Trend ist vor allem bei der jüngeren Generation stark. Was können gerade diese jungen Menschen von der deutschen Wiedervereinigung lernen?
Die Beziehungen zwischen den geteilten deutschen Staaten vor der Wiedervereinigung sind mit den aktuellen Spannungen auf der koreanischen Halbinsel nicht zu vergleichen. Zwar spielte militärische Stärke und Abschreckung auch eine große Rolle zwischen Ost und West, aber direkte militärische Bedrohungen blieben aus.
Es ist nachvollziehbar, dass eine junge Generation ihr Leben nicht nach einer möglichen Hoffnung ausrichten will. Gerade für die jüngere Generation sind die Zukunftsperspektiven entscheidend, sie haben ihr Leben noch vor sich. Aber ihnen sage ich: die Weltgeschichte enthält immer überraschende Wendungen bereit. Und auch ich hätte mir einen Tag vor dem Mauerfall nicht vorstellen können, dass es dazu kommt. Mit Blick auf Korea ist auch festzuhalten, dass die lange Tradition der Einheit Koreas nicht ausgeblendet werden sollte und die Einheit neue kulturelle, gesellschaftliche und wirtschaftliche Perspektiven für Korea eröffnet.

Die Deutsche Wiedervereinigung kam überraschend. Was hat aus Ihrer Sicht die Wiedervereinigung möglich gemacht? Und wie denken die Deutschen darüber nach mehr als 30 Jahren?
Für die deutsche Wiedervereinigung war ein günstiges internationales Klima entscheidend. Ohne die Veränderungen im Ostblock wie die Gewerkschaftsbewegung Solidarność in Polen oder die Reformbewegung in der Sowjetunion hätte es auch die Friedliche Revolution in der DDR nicht gegeben, die letztendlich zu den ersten freien Wahlen im Land geführt hat. Auch war ein Vertrag zwischen den deutschen Staaten und den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs nötig, um die internationale Unterstützung für die Wiedervereinigung zu sichern. Auch hier galt es Widerstände zu überwinden.
Heute findet ein mehrheitlicher Teil der Bevölkerung in Ost wie West, dass die Vorteile der Wiedervereinigung überwiegen. Auch wenn immer wieder, über die Wiedervereinigung und ihre wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Folgen diskutiert wird, möchten die wenigsten die Einheit missen. Die Freiheit für alle ist ein hohes Gut.


Das Interview ist bei Voice of Korea Online am 25. Mai 2024 erschienen.