„Entscheidender Moment demokratischer Selbstermächtigung“

35 Jahre Zentraler Runder Tisch in der DDR „Entscheidender Moment demokratischer Selbstermächtigung“

Auf dem Weg zu den ersten freien Wahlen in der DDR spielte der Zentrale Runde Tisch eine wichtige Rolle. Hier trafen sich am 7. Dezember 1989 zum ersten Mal DDR-Regierung und Oppositionsgruppen, um auf Augenhöhe über Reformen im Land zu sprechen. Der historische Ort im Bonhoefferhaus in Berlin-Mitte wurde jetzt als „Ort der Demokratiegeschichte“ ausgezeichnet.

Staatsminister Carsten Schneider während der Veranstaltung

Staatsminister Carsten Schneider während der Veranstaltung 35 Jahre Zentraler Runder Tisch

Foto: Christian Faludi / GEDG

Demokratie und Freiheit – das waren die zentralen Forderungen der mutigen Menschen, die im Herbst 1989 in der gesamten DDR auf die Straße gingen. Nach dem Fall der Mauer im November 1989 hatte die Führung der DDR, die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED), ihre Autorität komplett verloren. Dieses Machtvakuum musste bis zur ersten freien Volkskammerwahl, die im März 1990 stattfinden sollte, gefüllt werden.

Dazu kamen am 7. Dezember Am 7. Dezember 1989 trafen sich im Bonhoeffer-Hotel in Berlin zum ersten Mal Bürgerrechtler mit SED und Blockparteien am Zentralen Runden Tisch1989 zum ersten Mal Oppositionsgruppen und neu entstandene demokratische Kräfte mit Vertretern von SED und Blockparteien zusammen,  um unter der Moderation der Kirchen und auf Augenhöhe am Zentralen Runden Tisch miteinander zu verhandeln. Sie trafen sich, um über eine demokratische Neuordnung in der DDR zu sprechen. Auf der Tagesordnung standen außerdem freie Volkskammerwahlen und eine neue Verfassung. Nach diesem Vorbild wurden vielfach Runde Tische auf kommunaler Ebene in der ganzen DDR eingerichtet. Die Runden Tische in der DDR spielte eine wichtige Rolle beim gewaltfreien Übergang von der Diktatur in der DDR zu einer parlamentarischen Demokratie.
Daran wurde mit einer Veranstaltung an dem Ort erinnert, wo damals der erste Zentrale Runde Tisch stattfand – im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Berlin-Mitte, das heute ein Hotel ist.

„Dieser entscheidende Moment der demokratischen Selbstermächtigung an vielen Orten darf bei dem Gedenken an die Friedliche Revolution nicht vergessen werden“, betonte Staatsminister Carsten Schneider, der die Veranstaltung eröffnete. 
Aus diesem Anlass wurde das Bonhoeffer-Haus als „Ort der Demokratiegeschichte“ von der Stiftung Orte der Deutschen Demokratiegeschichte ausgezeichnet. 

 

Runder Tisch vor 35 Jahren

Am 7. Dezember 1989 trafen sich im Bonhoeffer-Hotel in Berlin zum ersten Mal Bürgerrechtler mit SED und Blockparteien am Zentralen Runden Tisch

Foto: picture alliance / SZ Photo | Paul Glaser



Bei der Veranstaltung diskutierten auf dem Podium Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler aus der ehemaligen DDR sowie Vertreterinnen und Vertreter neuer basisdemokratischer Initiativen. Sie sprachen über den Weg zur Friedlichen Revolution und den Mut der Menschen, die auf die Straße gegangen sind. Die Runden Tische waren in der Übergangsphase nach dem Mauerfall notwendig, um einen Weg zu den ersten freien Wahlen zu ebnen. Aber sie waren „hart, kontrovers und mussten kaum vereinbare Gegenpositionen zusammenbringen“, wie Stephan Hilsberg, als ehemaliges Mitglied der frei gewählten Volkskammer und Bundestagsabgeordneter, schilderte. 

Gesine Oltmanns von der Stiftung Friedliche Revolution bekräftigte: „Ende der 80er Jahre in der DDR haben wir immer wieder das Gespräch mit der SED-Führung gesucht, aber keiner wollte mit uns reden. Und plötzlich saßen wir an einem Tisch und mussten hart verhandeln mit denjenigen, die bislang jedes Gespräch abgelehnt hatten.“

Wie Partizipation heute gelingt, wurde im Gespräch mit Juliane Baruck deutlich. In ihrem Verein „Demokratie Innovation“ wirkt sie unter anderem an Formaten mit, in denen Gespräche mit Bundestagsabgeordneten und aus dem Melderegister ausgelosten Bürgerinnen und Bürgern stattfinden. Mit Menschen reden, sie einbeziehen, sie begeistern, aber auch fordern und ihnen an die Hand geben, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit, sondern auch Arbeit ist – das ist ihr wichtigstes Anliegen in Zeiten von Resignation und Politikverdrossenheit. Es bräuchte mehr Formate, um ins Gespräch zu kommen und eine neue, positiv konnotierte Streitkultur zu etablieren, so Baruck.

Auch Staatsminister Carsten Schneider sieht Potential bei neuen Beteiligungsformen, um Vorbehalte gegenüber der Demokratie abzubauen: „Über neue Ansätze der Partizipation, wie zum Beispiel Bürgerräte, können sich mehr Menschen in politische Prozesse einbringen. Das ist eine Möglichkeit, um die Herausforderungen und den Wert der Kompromissfindung zu erkennen und politische Mitgestaltung zu erleben.“  Das sieht er jedoch nicht als Gegenentwurf zur repräsentativen Demokratie, sondern als Ergänzung.
Die Veranstaltung wurde von der Gesellschaft zur Erforschung der Demokratiegeschichte organisiert in Zusammenarbeit mit der Stiftung Orte der Deutschen Demokratiegeschichte.