„Eine Verbesserung zum Status quo“

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Interview in der Ostsee-Zeitung „Eine Verbesserung zum Status quo“

Mit der Ostsee-Zeitung sprach Staatsminister Carsten Schneider über Bedenken am LNG-Terminal im Hafen Mukran, Zuschüsse für Wasserstofftechnologie und die Denkweise in Deutschland: „Ich appelliere immer mal wieder zu schauen, was wir geschafft haben und wie gut es uns insgesamt geht!“

Staatsminister Carsten Schneider während einer Schiffsfahrt an Deck

Staatsminister und Ostbeauftragter Carsten Schneider beim Besuch eines Offshore-Windparks

Foto: Bundesfoto/Sera Kurc

Ostsee-Zeitung: Reichlich Kritik von den Bürgerinitiativen und spontan abgesagte Termine - man macht es ihnen nicht leicht auf Rügen. Fasst Sie das an? 

Carsten Schneider: Ich nehme das nicht persönlich. Ich bin seit 25 Jahren Politiker und gewohnt manchmal auch eine Projektionsfläche zu sein. Ich habe hier aber auch viele Leute kennengelernt, die sehr freundlich und konstruktiv sind. Bei den Menschen ist es ihre ganz persönliche Entscheidung mit wem sie reden, aber wenn demokratisch gewählte Vertreter die Kommunikation mit der Bundesregierung ablehnen, ist das bedenklich. Und es hilft übrigens auch nicht weiter. Ich hoffe, dass sich die Situation normalisiert, wenn im Rahmen der weiteren Umsetzung des Projekts die Befürchtungen mit der Realität abgeglichen werden können. Die Situation wird eine Verbesserung gegenüber dem status quo bringen.

Ostsee-Zeitung: In anderen LNG-Terminals wird mit Chlor gereinigt, es gibt Lärmbelästigung. Verständlich, dass die Menschen hier Angst und Sorgen haben - was passiert, wenn das Ökosystem doch Schäden nimmt?

Carsten Schneider: In Mukran wird es keinerlei Chloreinleitungen geben und der Lärm wird über einen Landstromanschluss minimiert. Trotzdem sind diese Sorgen ernst zu nehmen. Denn wenn man die Natur verändert, weiß man nie, in welche Richtung sich das letztendlich auswirkt. Auch Windenergieanlagen, Solaranlagen oder Straßenbau haben Veränderungen des Ökosystems zur Folge.  Es ist immer eine Abwägungsfrage und hier ist eben auch die Versorgungssicherheit, insbesondere von ganz Ostdeutschland zu berücksichtigen. Ich halte es deshalb für vertretbar.

Ostsee-Zeitung: Aber was passiert, wenn was passiert? 

Carsten Schneider: Jedes Fehlverhalten gegen die Auflagen würde natürlich sanktioniert. Ich bin mir aber sicher, dass Regas dahingehend ein guter Partner ist. Das ist kein Konzern, sondern ein in Ostdeutschland neugegründetes Unternehmen, mit dem man im Fall von Problemen sehr direkt reden kann. Das hat mir auch der Bürgermeister von Lubmin, Axel Vogt, bestätigt. Ansonsten gilt aber wie überall: Wer Schäden verursacht, der haftet.

Ostsee-Zeitung: Das Projekt und eine Ausrichtung kostet Geld. Wie will die Bundesregierung unterstützen? 

Carsten Schneider: Projekte in der Region bei denen die Bundesregierung unterstützen kann, werden auf der Prioritätenliste nach vorne geschoben, dafür setze ich mich ein. Der Hafenausbau soll ja keine Last für eine Tourismusregion sein. Meiner Meinung nach ist der beschleunigte Ausbau der Bahnstrecke Berlin-Binz am bedeutendsten. Die Fahrtzeit nach Berlin verringert sich dadurch um eine knappe halbe Stunde. Das ist gut für Tourismus und die Menschen auf Rügen gleichermaßen. Und wir finanzieren große Teile des Hafenausbaus mit einem mittleren zweistelligen Millionenbetrag. Es gibt aber auch andere Projekte die über den Klimatransformationsfonds unterstützt werden, die Stadt Sassnitz zum Beispiel hat einen Antrag auf Zuschüsse zum Ausbau des Fernwärmenetzes eingereicht, das könnte dann Sagard und auch Binz zu Gute kommen. Auch Zuschüsse für Wasserstofftechnologie kann es geben. 

Ostsee-Zeitung: Wasserstoff gilt ja immer als grünes Zauberwort um LNG in Mukran abzumildern- von einer Wasserstoffinfrastruktur wie Elekrolyseuren oder einem Bedarf ist hier aber noch nichts zu sehen. Ob das wirklich kommt und vor allem wann?

Carsten Schneider: Die Nachfrage explodiert gerade, die Produktion und Nutzung von grünem Wasserstoff ist ein unheimlich wichtiger Teil der Energiewende.  Und die ersten Elektrolyseure gibt es auch schon, Linde will in diesem Jahr seinen 24-Megawatt Elektrolyseur starten. Das Unternehmen Sunfire aus Dresden baut die Anlagen und arbeitet daran, eine Art Serienproduktion zu schaffen. Das kann eine echte Erfolgsgeschichte werden. Vielleicht braucht es eine Änderung des Mindsets, damit die Region hier auch von der Energiewende profitieren kann.

Ostsee-Zeitung: Apropos Mindset. Sie wurden kürzlich in einem Zeitungsartikel mit den Worten zitiert, wir müssten mal aufhören mit der Nölerei. Die Lage sei besser als gedacht. Trifft das auch auf Rügen zu?

Carsten Schneider: Die Gereiztheit und ein gewisser Pessimismus sind in der ganzen Gesellschaft zu spüren. Nach den vielen Krisen der vergangenen Jahre sind die Menschen erschöpft. Aber ich appelliere immer mal wieder zu schauen, was wir geschafft haben und wie gut es uns insgesamt geht! Wir leben in einem großartigen Land, das stabil und rechtssicher ist und in dem viele gern leben würden. Wir sind auf dem Weg, immer unabhängiger in der Energieversorgung zu werden. Das bedeutet, wir müssen langfristig dafür nicht mehr viel Geld auf dem Weltmarkt ausgeben, sondern können stattdessen investieren und neue Arbeitsplätze schaffen. Und diese Chance ist im Osten größer als im Westen, weil wir hier einfach die Flächen zur Produktion haben. Manchmal macht mich das wahnsinnig, dass das so wenig erkannt wird. Speziell für Rügen halte ich die Schaffung von tarifvertraglich gebunden Arbeitsplätzen, die nicht im Tourismus- oder Dienstleistungsbereich liegen, für eine große Chance. Es gibt doch viele Menschen, die in einer anderen Branche arbeiten möchten und eine Zukunft auf Rügen suchen. 

Das Interview erschien am 16. September 2023 in der Ostsee-Zeitung.